Die Optik steht vor einem revolutionären Wandel. Über viele Jahrhunderte hat sich der grundlegende Aufbau – symmetrischer linearer Strahlengang – optischer Systeme bei Teleskopen und Mikroskopen nicht geändert. Lediglich inkrementelle Verbesserungen auf Grund des Einsatzes neuer Materialien und verbesserter Technologien konnten erzielt werden. Seit ca. 20 Jahren finden sich zunehmend Asphären in optischen Systemen und erst seit wenigen Jahren auch erste Freiformkomponenten. Verbesserte Design- und Modellierungswerkzeuge sowie präzisere Herstellungs- und Messverfahren auf der Makro- und Mikroskala eröffnen die Chance, optische Systeme mit signifikant verbesserter Performance und kleineren Abmessungen herzustellen. Um diese Möglichkeiten für ein breites Produktspektrum zur Verfügung zu stellen, bedarf es aber nicht nur der Beherrschung einzelner Prozessschritte, sondern der abgestimmten Vorgehensweise von Designern, Materialherstellern, Komponentenherstellern und Systemintegratoren entlang der gesamtem Innovationskette.
Was sind Freiformoptiken?
Freiformen sind optische Flächen mit beliebig vielen geometrischen Freiheitsgraden. Freiformoptiken vereinen verschiedene optische Funktionen der Strahlformung, die mit klassischen Linsen oft nur in Kombination erreicht werden. Freiformoptiken können aber auch optische Funktionen realisieren, die sich mit herkömmlichen optischen Elementen nicht erreichen lassen.
Wo kommen Freiformoptiken zum Einsatz?
Überall da wo spezielle Funktionalitäten benötigt werden oder besonders kompakte Bauformen gefragt sind, spielen Freiformflächen ihre Vorteile aus. Dem entsprechend können Branchen wie Anlagenbau und Automobilindustrie, Medizin und Materialbearbeitung, Flugzeugbau und Freizeitelektronik, Informationstechnik und Lebenswissenschaften adressiert werden. Beispiele:
- Prominentestes Beispiel ist die Gleitsichtbrille, die in einem Glas stufenlos scharfe Bilder auf jede Entfernung liefert und gleichzeitig individuelle Augenfehler korrigieren kann.
- Die Leistungsfähigkeit und Kompaktheit von Kameras in Smartphones basiert in vielen Fällen auf der Verwendung von Freiformoptiken.
- Bei einem Head Mounted Device, wo das Bild eines kleinen Displays auf engstem Raum mit Hilfe eines nicht-symmetrischen Optiksystems in das menschliche Auge eingespiegelt wird, kann mit akzeptablem Aufwand nur eine Freiformoptik eingesetzt werden.
Was sind die Vorteile aus Kundensicht?
Durch die Kombination der Wirkung mehrerer Linsen in einer Freiformfläche wird die Anzahl der einzelnen optischen Komponenten reduziert und es kann dadurch gleichzeitig Platz, Gewicht und Material eingespart werden. Durch die maßgeschneiderten – auf die Anwendung zugeschnittenen – Freiformoberflächen, erhöht sich zudem die Qualität der optischen Abbildung enorm.
Welche Kompetenzen sind nötig, um Freiformflächen zu entwickeln?
Freiformflächen besitzen beliebig viele Freiheitsgrade und daher benötigt man zur Beschreibung dieser Art von Flächen zahlreiche Kenngrößen. Die fehlende Symmetrie fordert Mathematiker und Ingenieure im Design und in der Fertigung heraus, da geeignete Rechenvorschriften für die Beschreibung, spezielle Modellgrößen für die Bewertung der Qualität und neue Design-Algorithmen und Methoden für die Auslegung und Optimierung gefunden werden müssen. Schließlich werden entsprechende Computerprogramme benötigt, damit Fertigungsmaschinen die entsprechenden Daten umsetzen können. Für ein optimales Ergebnis sind spezielle aufeinander abgestimmte Prozessketten – vom Optik- und Mechanikdesign über die Herstellung bis hin zum Test von Freiformoptiksystemen notwendig. Bisher werden nur einzelne Prozessschritte meist mit begrenzter Genauigkeit beherrscht.
Die Region
Die Photonikindustrie in Thüringen ist einer der führenden Standorte für Lichttechnologien weltweit. Rund 170 Unternehmen und zahlreiche Forschungseinrichtungen mit exzellentem Ruf konzentrieren sich in der Technologieregion Jena, Erfurt, Ilmenau und Gera. Damit sind ca. 10 % der deutschen Photonikunternehmen im Freistaat ansässig.